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KinderUni an der RUB

Ein Besuch der KinderUni an der Ruhr-Universität Bochum

„Wie die Sendung mit der Maus – nur besser!“

Auf dem Campus der Ruhr-Universität, auf dem man sich zwischen den monumentalen Betonensembles besonders freitags morgens ziemlich einsam und klein vorkommen kann, herrscht an diesem Novemberfreitag bereits um 8:45 Uhr buntes Gewimmel. Von allen Seiten strömen kleine Menschlein teils in wilden Horden, teils in geordneter Paarformation heran. Doch hier laufen keine Proben für eine Freilichtinszenierung von Gullivers Reisen. Nein: An diesem Tage öffnet die RUB ihre Türen zur Großen KinderUni, die sie 2014 zum sechsten Mal unter dem Label UniverCity mit sechs weiteren Bochumer Hochschulen ausrichtet.

Um möglichst viele der im Vorfeld angemeldeten Grundschulklassen einladen zu können, bietet die KinderUni das gleiche Programm an zwei aufeinander folgenden Tagen an. So sind es an diesem Tag rund 900 Dritt- und Viertklässler, die aus Bochum und Umgebung angereist sind, um …. ja, um was eigentlich zu erleben oder zu tun?

„Die Kinder sollen hier der Wissenschaft mit Spaß und Neugier begegnen. Sie sollen erleben, dass Forschung nicht nur im sprichwörtlichen Elfenbeinturm stattfindet, sondern dass man sie anfassen, bestaunen und benutzen kann. Wenn es uns gelingt, dass die Kinder die Uni am Ende begeistert verlassen, ist ein wichtiges Ziel erreicht“, erläutert Björn Kirschbaum, der im Rahmen der Jungen Uni die Veranstaltung organisiert.

Bei den Schülern der Klasse 3a der Neulingschule in Bochum, die ich auf dem Campus treffe, überwiegt zunächst einmal die Aufregung. Auf die Frage, was wohl in der Universität passiert, antwortet Luis schlau, dass „da Studenten ausgebildet werden“. „Worin?“, will ich wissen und bekomme die folgerichtige Antwort: „In der Universität.“ Na dann, hinein!

Mit erhitzten Bäckchen und großen Augen betreten sie die Vorhalle des mächtigen Audimax und stehen auch gleich mitten im Gewimmel. Nachdem die ganze Klasse in die bereitgestellten KinderUni-Shirts geschlüpft ist und ihre Forscherpässe umgehängt hat, beginnt eine erste Expedition von der Baby-Lounge bis zur Robotik-Ecke, bevor die frisch dekorierten Miniforscher zum offiziellen Auftakt ins Auditorium gerufen werden. Während der eigens engagierte Moderator und Animateur etwas zu aufgedreht durchs Programm kalauert, begeistern die folgenden Kurzvorträge dreier HochschullehrerInnen. Furios ist der Auftakt des Musikpädagogen Thomas Greuel von der Evangelischen Fachhochschule. Die Fragen, welche Wirkung Musik auf Menschen hat und wie sie unterschiedliche Kulturen prägt, beantwortet er mit: Musik. Mit seiner Begeisterung für afrikanische Lieder und einer Gruppe trommelnder und singender Studenten zaubert er nicht nur den Kindern der 3a das Lächeln ins Gesicht und den Rhythmus in die Glieder. Die folgenden Vorträge der Hebamme und Professorin der Hochschule für Gesundheit, Nicola Bauer, und des Professors Friedbert Pautzke von der Hochschule Bochum geben den Kindern auf unterhaltsame Weise altersgerechte Antworten auf die Fragen, warum Babys im Fruchtwasser nicht ertrinken oder wie Sonnenlicht ein Auto zum Fahren bringt.

Dem kollektiven Input folgt die freie Entdeckungstour durch das Foyer. Ich hefte mich an die Fersen der 3a. Die erste Gruppe erspähe ich an einer Carrera-Bahn. Hier werden natürlich Rennen gefahren. Am Ende gewinnt aber derjenige, der am fleißigsten trampelt. Der Strom kommt nämlich nicht aus der Steckdose, sondern wird mit Fahrrädern erzeugt. Von dort aus werde ich ohne großes Zutun zum Stand des Lehrstuhls für Theoretische Elektrotechnik gespült, wo Plasmaströme gelenkt, zum Leuchten gebracht und mit der Plasmabeschichtungsmaschine Fingernägel nachhaltig lackiert werden. Und während ich von einem Mitarbeiter in die phantastische Plasma-Welt eingeführt werde, staunen die kleinen Besucher neben mir über das leuchtende Gasgemisch in der Mikrowelle.

Von einem Treppenvorsprung habe ich einen guten Überblick über das vielfältige Angebot: Das Solarauto und die tanzenden Roboter werden bewundert, der XXL-Jenga-Turm wird in Sisyphosmanier immer wieder aufgebaut und zum Einsturz gebracht, professionelle Papierflieger segeln um die Wette, weißbekittelte Grundschüler debütieren in der Zahnpastaherstellung, wogegen andere mit einer luftkissenbetriebenen Kanone versuchen, Tennisbälle auf Zielscheiben zu schießen. Und während die Warteschlange am Fahrsimulator Phantasialand-Ausmaße annimmt, fällt mein Blick auf einen unscheinbaren Ort, um den sich die Kinder drängen und mit Stift und Papier bewehrt aufgeregt diskutieren. Es ist der Stand des Hegel-Archivs, der zum deutlich größeren Angebot der Naturwissenschaften ein geisteswissenschaftliches Gegengewicht bietet. Die Präsentation des Archivs und Aufgabe für die Kinder ist denkbar einfach: Ein Tisch, ein paar Dekobücher und eine Stellwand. Dort hängen zwei in deutscher Kurrentschrift gedruckte Sätze, welche es mit Hilfe des kopierten Kurrent-ABCs zu dekodieren und übersetzen gilt. Hier finde ich auch einen Großteil der 3a zum ersten Mal vereint, dem Sprachrätsel auf der Spur. „Erstaunlicherweise rennen uns die Kinder hier die Bude ein und sind mit Rieseneifer dabei. Eventuell liegt das auch daran, dass sie hier wirklich selbst ein Stück weit Forscher sein können. Gegenüber der Elektro- und Robotertechnik, die den Kindern heute ja aus ihrem Alltag vertraut oder zumindest nicht ganz unbekannt ist, ist das hier (er zeigt auf die Stellwand) eher fremd und vielleicht schon deshalb spannend“, bemerkt Niklas Hebing vom Hegel-Archiv.

Ein weiteres Highlight ist die Rauchkanone des Instituts für angewandte Festkörperphysik, bestehend aus Regentonne mit angeklebtem Müllsack und angeschlossenem Verdampfer, mit der die Kinder selbst Rauchkringel durch das Foyer schießen können.

Nachdem sich gegen 13 Uhr auch der schönste Rauchkringel in Luft aufgelöst hat, ist der Zauber vorbei. Die Klassen strömen nun in umgekehrter Richtung aus dem Gebäude auf den Campus Richtung U-Bahn. „Das war wie die Sendung mit der Maus – nur besser!“, ruft mir ein glücklicher Pimpf beim Rauslaufen entgegen, ohne dass ich überhaupt etwas gefragt hätte. Und während Björn Kirschbaum und sein Mitarbeiter Bastian Granas an den Ausgängen stehen, um alle Grundschüler für den Heimweg mit Äpfeln zu versorgen, beginnen schon die Aufräumarbeiten der vielen freiwilligen Helfer und Mitarbeiter.

Dass die KinderUni nicht nur pressewirksames Projekt im Sinne eines modernen Hochschulmarketings ist, sondern ehrliches Anliegen, zeigt das breite und ambitionierte Angebot, welches allein die RUB mit ihrer Abteilung Junge Uni für Schülerinnen und Schüler aller Altersgruppen in kontinuierlichen Veranstaltungen bereitstellt: Vom Schülerlabor, das Lernangebote aus allen Fachbereichen für Schulklassen bis zum Abitur bereithält, über Praktikumsplätze, Wettbewerbe und Stipendien bis zur Kunst AG können Kinder und Jugendliche erste und vertiefende Einblicke in das wissenschaftliche Arbeiten gewinnen und schon früh Verbindungen zur Universität aufbauen.

Mit diesem Engagement steht die RUB jedoch nicht alleine da. Das betont auch Raphaela Meißner, die als Projektleiterin des Innovationszentrum Schule und Technik (IST) an der Organisation und Vermarktung der KinderUni mitwirkt und eine wichtige Schnittstelle zwischen Uni und Schule darstellt: „Neben der großen KinderUni bieten wir natürlich auch kleinere Veranstaltungen vom Laborexperiment bis zur Mitmach-Vorlesung für ein bis drei Klassen an den verschiedenen Bochumer Hochschulen an. Jedes Kind ist neugierig. Unser Ziel ist es, dass aus dieser Neugier wirkliches Interesse wird.“

Als ich drei Tage später die 3a in der Neulingschule besuche, genügt die Präsentation der Schnappschüsse, um bei den Schülern die Erinnerungen zu aktivieren: „Die Roboter fand ich super, weil Musik aus dem Kopf gekommen ist und die sich cool bewegt haben“, ruft Isabelle. Theo fand es besonders spannend, die alte Schrift zu entziffern, und Emmely erzählt begeistert von ihrem Erlebnis mit der Rauchkanone, „in der ein Müllsack war, und wenn man den Müllsack in die Kanone gesteckt hat, kam da Luft heraus, die wie eine Bombe aussah“.

Bei der Frage, wie die Experimente genau funktionieren und was sie uns über die Welt verraten können, bleibt natürlich vieles offen und unbeantwortet. Nun liegt es an der Lehrerin, diese Fragen aufzugreifen und als Lernpotenzial für den Unterricht zu nutzen. Das breite Angebot der RUB und des IST kann engagierten Lehrkräften und aufgeweckten Schülern nicht nur hierbei professionelle Hilfestellungen geben.

Dirk Urbach

 

Infokasten:
RUB JungeUni: KinderUni (ruhr-uni-bochum.de)
Innovationszentrum Schule-Technik. Bochum.NRW: www.ist-bochum.de
Überblick über Schülerlabore und -angebote im Ruhrgebiet: www.metropoleruhr.de/wissenschaft-bildung/wissenschaft-populaer/kinderunis-schuelerlabore.html

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