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Der Umgang mit Angst

Bildnachweis: Pixabay

Angst gehört zu den wichtigsten Emotionen, zu denen wir Menschen fähig sind. Denn Angst ist im Prinzip unsere körpereigene Alarmanlage. Wenn wir Angst verspüren, signalisiert uns unser Körper, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist und wir Maßnahmen ergreifen müssen, um uns und unser Leben zu schützen. Wir können Angst vor ganz konkreten Dingen haben, wie z. B. großen Hunden, der Dunkelheit oder dem Verlust von Angehörigen. Säuglinge kennen insbesondere die Verlassensangst. Wir können aber auch Angst verspüren, wenn wir unsicher sind, z. B. vor einem Bewerbungsgespräch. Manchmal ist Angst auch ein diffuses Gefühl, wenn wir uns zum Beispiel um unsere Zukunft sorgen. In Zeiten, in denen die Verbreitung eines Virus die ganze Welt in Ausnahmezustand versetzt, verspüren viele Menschen Angst. Wir erklären, was Angst eigentlich ist, wo sie herkommt und auch, wie wir mit ihr umgehen können.

Angst ist sinnvoll und völlig normal

Wenn wir Angst verspüren, dann schrillen in unserem Körper förmlich die Alarmglocken. Angst ist unsere natürliche Reaktion auf Bedrohungen und bringt uns dazu, Situationen zu vermeiden, in denen wir uns verletzen könnten oder die Schmerz oder sogar den Tod zur Folge haben könnten. Für unsere Vorfahren war es beispielsweise wichtig, beim Anblick eines wilden Raubtieres lieber Reißaus zu nehmen, als sich ihm neugierig zu nähern. Angst entsteht zunächst im Gehirn. Das beginnt dann über die Ausschüttung von Botenstoffen – den Hormonen – damit, die anderen Körperregionen in Alarmbereitschaft zu versetzen. Dies sorgt für die typischen körperlichen Symptome von Angst und aktiviert körpereigene Ressourcen, die für Flucht oder Verteidigung sinnvoll sind. Unser Herz klopft, der Blutdruck steigt an, unser Atem beschleunigt sich, wir bekommen Schweißausbrüche, unser Mund wird trocken, das Gesicht ist angespannt und wir beginnen zu zittern. Das Zittern ist ein Ausdruck davon, dass unsere Muskeln besonders angespannt sind – und jederzeit bereit die Flucht zu ergreifen. Generell unterscheiden sich die körperlichen Symptome der Angst von Mensch zu Mensch, aber letztendlich sorgt Angst kurzzeitig für einen Leistungs- und Aufmerksamkeitsschub. So kann etwas Prüfungsangst beispielsweise dazu führen, dass wir uns während der Prüfung besonders gut konzentrieren können. Angst versetzt uns in die Lage, eine Situation blitzschnell einzuordnen und darauf zu reagieren.

Extreme Symptome von Angst können das berühmte „sich vor Angst in die Hose machen“ sein oder sogar eine Schockstarre oder Ohnmacht. Diese Lähmungserscheinungen haben jedoch auch ihre evolutionäre Berechtigung: viele Raubtiere reagieren nämlich auf Bewegungen. Daher stellen sich beispielsweise Mäuse tot, um einem Angriff zu entgehen.

Nun treffen wir in unserem heutigen Alltag eher selten auf wilde Raubtiere oder vergleichbare Todesgefahren. Dennoch ist die Fähigkeit zur Angst tief in unseren Genen verankert. Wir können Angst sogar erlernen. Auch das ist evolutionär gesehen überaus sinnvoll. Denn sonst müsste jeder ja aufs neue Lernen, wie er sich in Gefahrensituationen verhalten muss. Stattdessen sind wir aber in der Lage, uns vor Situationen zu fürchten, die wir selbst noch nie erlebt haben – und können im Ernstfall richtig handeln. Daher entfernen wir uns instinktiv von Feuer oder meiden es, bei Gewitter draußen herum zu laufen.

In extremen Fällen kann Angst in Panik umschlagen. In diesem Zustand erleben wir eine Form von Kontrollverlust. Wir können nicht mehr klar denken und treffen vielleicht sogar ungünstige Entscheidungen. Ebenso gefährlich ist ein Zustand von andauernder Angst. Denn die Hormone, die unsere Angstreaktionen steuern, sind vor allem Stresshormone. Wer unter Dauerangst leidet, leidet deshalb gleichzeitig auch unter Dauerstress. Und das wirkt sich langfristig negativ auf unsere Leistungsfähigkeit und auch unsere Gesundheit und unser Immunsystem aus.

Angst bzw. insbesondere deren Auflösung kann aber sogar Spaß machen. Jeder, der gern Gruselgeschichten liest, Horrorfilme anschaut, Geisterbahn fährt oder aber das erste Mal vom 10-Meter-Brett springt, kann das bezeugen. Seine Angst zu überwinden und zu spüren, wie sie im Anschluss von einem abfällt, kann zu einem wohligen Kribbeln im ganzen Körper führen.

Warum haben wir Angst vor dem Corona-Virus?

Viele Menschen verspüren angesichts der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus Angst. Das kann auch Menschen treffen, die sich selbst als eher gelassen bezeichnen oder die aktiv versuchen, keine Angst aufkommen zu lassen. Aber warum macht uns das Virus eine solche Angst?

Zunächst einmal ist unser Leben im Vergleich zu früher deutlich sicherer geworden. Wir leben in Deutschland in friedlichen Zeiten, es gibt eine geringe Arbeitslosenquote, unsere Ernährung und Versorgung ist gesichert und wir haben wenig Kriminalität. Wir müssen weder Wassermangel noch Hungersnöte fürchten und keine Kriege. Wenn dieses Sicherheitsgefühl plötzlich bedroht ist, macht uns das natürlich Angst, weil wir heutzutage selten mit existenziellen Bedrohungen konfrontiert werden.

Dazu kommt, dass die Verbreitung eines Virus „unsichtbar“ geschieht. Das macht es schwer, die Situation einzuschätzen und verstärkt unser Angstgefühl. Die Dynamik der aktuellen Situation führt außerdem dazu, dass sich die Lage gefühlt tagtäglich ändert, ständig prasseln neue Nachrichten ein und noch immer wissen wir vieles nicht über das Virus. Das gibt uns das Gefühl, der Situation hilflos ausgeliefert zu sein. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit wird durch die Tatsache, dass es bislang noch keinen wirksamen Impfschutz gegen das Virus gibt, noch verstärkt. Es drängt sich in uns das Gefühl auf, dass wir der Ausbreitung dieses „unsichtbaren Gegners“ hilflos gegenüber stehen.

Neue, unbekannte Risiken lösen in uns ohnehin mehr Angst aus, als bekannte Risiken, die wir gefühlt besser einordnen können. So leben wir alle tagtäglich mit dem Risiko, an Krebs zu erkranken, uns im Haushalt zu verletzten oder im Straßenverkehr einen Unfall zu haben – ohne, dass uns die Angst davor lähmt oder dazu führt, dass wir nicht mehr vor die Tür gehen. Doch diese Risiken sind uns bekannt, wir können sie einordnen und einschätzen und haben gelernt, mit ihnen zu Leben. Das Gefühl, etwas nicht beherrschen zu können oder ihm schutzlos ausgeliefert zu sein, verstärkt jedoch unsere Ängste.

Hinzu kommen Folgeängste, wie beispielsweise die Sorge, das sich ältere Angehörige mit dem Virus infizieren könnten oder die Angst um die eigene Existenz, weil beispielsweise das eigene Unternehmen geschlossen werden musste und man sich nun fragt, wie man die nächste Monatsmiete bezahlen soll. Dazu kommt die Angst vor weiteren Einschränkungen der eigenen Freiheit: nicht mehr gehen zu können, wann und wohin man will und der Verlust von sozialen Kontakten.

Wenn dann im Internet von einigen wenigen, aber dafür sehr lauten Nutzern noch absichtlich Falschmeldungen und Verschwörungstheorien verbreitet werden, die Panik auslösen sollen, dann kann uns schon mal angst und bange werden. Das ist in einer solchen Situation allerdings völlig normal, und niemand sollte sich für seine Ängste schämen. Wichtig ist aber, sich den Hintergründen unserer Angst bewusst zu werden, und zu lernen, aktiv mit ihr umzugehen. Denn wir sind keineswegs nur zum passiven Zuschauen verdammt.

Wie können wir mit unseren Ängsten umgehen?

1. Die eigenen Ängste beobachten

Auch, wenn es sich vielleicht manchmal so anfühlt: wir sind unseren eigenen Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert. In einem ersten Schritt, sollten wir uns unserer Gefühle bewusst werden. Dazu müssen wir zu unserem eigenen Beobachter werden. Was fühle ich gerade körperlich? Woran denke ich? Was beschäftigt mich? Warum könnte ich so fühlen oder denken? Was wünsche ich mir gerade? Mithilfe dieser oder ähnlicher Fragen können wir uns bewusst machen, was in uns vorgeht. In einem nächsten Schritt können wir aktiv mit diesen Erkenntnissen umgehen. Mit etwas Training können wir lernen, aus negativen Gedankenspiralen auszusteigen und uns selbst dazu animieren, positiv zu denken.

2. Offene Fragen klären

Viele Ängste entstammen Unsicherheit oder Ungewissheit. Experten raten daher, sich ausreichend zu informieren. Welche offenen Fragen habe ich? Was habe ich noch nicht genau verstanden? Diese Fragen sollten sie klären. Wichtig ist es aber, sich auf offizielle Quellen zu berufen. Recherchieren sie nicht in irgendwelchen Foren im Internet, denn dort wird viel Halbwissen verbreitet. Nutzen Sie stattdessen lieber die offiziellen Angebote. Viele öffentlich rechtliche Sender und Institutionen, sowie die entsprechenden Ministerien und Institute bereiten ihre Inhalte allgemeinverständlich und grafisch in verschiedensten Formen auf: als Infografiken, Social-Media-Inhalte, als Frage-Runden, als Kurzfilme, Podcasts oder auch in kindgerechten Formaten. Nutzen Sie, was immer Ihnen hilft und Spaß macht. Information kann beruhigen – aber nur in Maßen! Wer sich ständig mit dem Virus beschäftigt, wird bald an nichts anderes mehr denken können.

3. Nachrichtenkonsum einschränken

Setzen Sie sich feste Zeiten, an denen Sie Nachrichten und Informationen zum Corona-Virus erfahren wollen. Stoppen Sie aktiv die Informations- und Nachrichtenflut. Da das Virus aktuell sämtliche Medien beherrscht, kann das auch bedeuten, das Radio abzuschalten und stattdessen lieber eine Musik-CD einzulegen oder auf Musik-Streaming zurückzugreifen. Lassen Sie den Fernseher auch mal ausgeschaltet. Oder nutzen Sie ihn nur, um Serien oder Filme zu schauen. Deaktivieren Sie Push-Benachrichtigungen und „Corona-Ticker“ auf ihrem Handy oder Computer. Es ist völlig ausreichend, wenn sie sich beispielsweise am Abend und /oder Mittag auf den neuesten Stand bringen, anstatt ununterbrochen live die Entwicklungen zu verfolgen.

4. Klare Tagesstruktur schaffen

Die aktuelle Situation hat unseren Alltag ganz schön auf den Kopf gestellt. Die Kinder sind zuhause, statt in der Schule, Betreuung durch die Großeltern wird gemieden und viele arbeiten erstmals von zuhause aus. Da ist die Verlockung groß, sich im Schlafanzug an den Schreibtisch zu setzen, auch mal erst um halb zwölf zu frühstücken oder das tägliche Zähneputzen auch mal schleifen zu lassen. Das kann sich allerdings schnell negativ auf unsere Psyche auswirken. Tägliche Rituale, wie das gemeinsame Frühstück mit der Familie (ohne Nachrichten im Hintergrund!) geben uns Stabilität und emotionale Sicherheit. Legen sie feste Zeiten zum Essen fest, Zeiten, in denen die Kinder die Hausaufgaben erledigen aber auch Zeiten, in denen Sie ungestört arbeiten möchten. Achten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung und auf Ihre Körperhygiene. Denn auch das Gefühl, sich um sich selbst zu kümmern, beispielsweise durch eine ausgiebige Bartpflege oder ein Gesichtspeeling geben Sicherheit. Versuchen Sie, für ausreichende Bewegung zu sorgen.

5. Erreichbare Ziele setzen

Setzen Sie sich erreichbare Ziele für den Tag und führen Sie beispielsweise eine To-Do Liste. Dazu kann so etwas gehören, wie die Oma anzurufen, Staub zu saugen, drei Portionen Obst zu essen oder den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Die Erfüllung von Aufgaben gibt uns Bestätigung, Selbstachtung und selbst kleine Erfolgserlebnisse machen gute Laune.

6. Soziale Kontakte pflegen – auch ohne persönliche Besuche

Um die Infektionsraten zu reduzieren, sind alle angehalten, ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Das kann besonders aufs Gemüt schlagen, denn wir Menschen befinden uns gerne in Gemeinschaft. In Zeiten von eingeschränkten persönlichen Kontakten, ist es daher umso wichtiger, trotzdem Beziehungen zu pflegen: telefonieren Sie mit Freunden, Kollegen oder Nachbarn, nutzen sie moderne Kommunikationswege wie Video-Anrufe oder die sozialen Medien oder schreiben Sie doch einfach mal wieder einen Brief oder eine Postkarte.

Hören Sie insbesondere auch Ihren Kindern zu. Nehmen Sie Ihnen Ängste, helfen Sie Ihnen dabei, mit Freunden in Kontakt zu bleiben.

7. Lenken Sie sich ab

Wenn Sie merken, dass Ihnen trotzdem alles zu viel wird, lenken Sie sich ab. Ihnen fällt nichts ein? Tun Sie das, was Sie immer dann tun, wenn Sie sich vor etwas unangenehmen wie der Steuererklärung drücken. Schauen Sie einen lustigen Film mit den Kindern, spielen Sie Brettspiele,  räumen Sie den Keller auf, lernen Sie ein neues Rezept, lesen Sie gemeinsam ein Buch, Basteln Sie etwas oder oder oder…

Schaffen Sie Rückzugsräume innerhalb der Familie. Wenn alle ständig „aufeinander hocken“, kann das zu Reibereien führen.  Wer im Home-Office arbeitet, darf die Tür geschlossen haben. Kinder dürfen sich auch mal allein ins Zimmer zurückziehen oder in eine Deckenhöhle im Wohnzimmer und dann ungestört sein. Setzen Sie alle auch eigene kleine Projekte um und tauschen Sie sich am Ende darüber aus.

8. Aktiv werden!

Wir alle stecken derzeit in der gleichen Situation. Wir sind nicht allein. Und wir können aktiv werden. In Italien wird beispielsweise gemeinsam von Balkonen gesungen, an anderen Orten wird durch Beifall die Solidarität mit medizinischem Personal und anderen sogenannten systemrelevanten Berufen bekundet, wieder andere musizieren gemeinsam oder die Kirchen rufen durch gemeinschaftliches Leuten zum zeitgleichen Gebet auf. Basteln Sie doch mit Ihren Kindern fröhliche Dekoration für den Balkon oder ein buntes Plakat, dass Sie ins Fenster hängen. Oder engagieren Sie sich in der Nachbarschaftshilfe und erlegen Einkäufe für Menschen, die unter einem erhöhten Ansteckungsrisiko stehen. Und scheuen Sie sich nicht, selbst aktiv um Rat oder Hilfe zu bitten, wenn Sie nicht weiterwissen.

Bettina Fischer

Lesen Sie hier auch unseren Artikel zum Thema: Wie erklärt man Kindern Corona?

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