Der Übergang von einem Kind zu zwei stellt für jede Familie eine große Veränderung dar. Besonders das Erstgeborene, das bisher allein im Mittelpunkt stand, sieht sich plötzlich einer neuen, aufregenden Rolle gegenüber. Carola Meißner, Familienberaterin aus Duisburg, erzählt im Gespräch mit dem REVIERkind, wie Eltern ihre Kinder auf diese bedeutende Veränderung vorbereiten können.
Frau Meißner, in Sachen Schwangerschaft und Geburt bringen Eltern beim zweiten Kind schon einiges an Erfahrung mit. Für das Erstgeborene ist die Zeit jedoch neu und aufregend. Wie führe ich mein erstes Kind an meine Schwangerschaft heran?
Selbstverständlich sollten Sie dem Kind von der Schwangerschaft erzählen. Meine Empfehlung: Tun Sie dies nach der 12. Woche, wenn es sicherer ist, dass sich die Schwangerschaft im Mutterleib gefestigt hat. Altersgerechte Bücher helfen Erstgeborenen spielerisch zu verstehen, was in Mamas Bauch passiert. Es kann bei Einkäufen für das Geschwisterchen mit dabei sein und auch etwas Bestimmtes selbst auswählen. Bei Bewegungen darf es bei der Mama am Bauch fühlen. Widmen Sie dem Kind aber auch Zeit, in der es nicht um die Schwangerschaft geht.
Das Wochenbett ist eine ohnehin sensible und herausfordernde Zeit, doch anders als beim ersten Mal kann der Fokus diesmal nicht ganz und gar auf dem neuen Nachwuchs liegen. Wie binde ich das Geschwisterkind optimal mit in diese Zeit ein?
Gönnen Sie sich die ersten 6 bis 8 Wochen nach der Geburt auf jeden Fall Ruhe. Die Geburt ist für die Mama kein Zuckerschlecken, das darf auch dem Kind so erklärt werden. Animieren Sie es, darauf Rücksicht zu nehmen. Selbstverständlich soll es in der Zeit aber auch das Baby anfassen, streicheln, küssen und vielleicht auch mal auf den Schoß zu nehmen. Dabei sein, wenn es gefüttert oder gestillt wird, und Mama oder Papa „helfen“, indem es die Windel bringt oder das Kuscheltier aufhebt. Natürlich immer unter dem Gesichtspunkt: Es darf, aber es muss nicht. Auch das ältere Kind muss sich an das Baby herantasten, ausprobieren und sich an das neue Geschwisterchen gewöhnen.
Bislang galt die volle elterliche Zuwendung dem Erstgeborenen, doch mit der Ankunft eines zweiten Kindes verschiebt sich nun die Aufmerksamkeit – eine herausfordernde Umstellung für das ältere Kind. Wie erkenne ich Anzeichen von Eifersucht?
Wenn sich das Verhalten des Erstgeborenen so verändert, dass Sie als Eltern sagen: “Das kennen wir so nicht von ihm oder ihr.” Das kann zurückentwickeltes Verhalten sein: Das Bedürfnis nach dem Nuckel, obwohl der schon lange passé war, oder das Kind nässt sich ein, obwohl es schon lange trocken war. Vielleicht hilft das Kind Ihnen auch nicht, wenn es die Tür aufhalten soll, weil Sie mit dem Kinderwagen durchfahren wollen. Aber auch grundloses Losschreien, sich auf den Boden Schmeißen, sich bewusst vom Baby und seinen Eltern Fernhalten und verstärkt andere Bezugspersonen suchen, herumtrödeln, nachts nicht mehr durchschlafen, viel weinen und nur mit Mamas Hilfe einschlafen wollen, können Anzeichen von Eifersucht sein.
Wie begegne ich der Eifersucht?
Um zunächst die Sorge zu nehmen: Dass sich Geschwister nicht annehmen, ist zu 99,9 Prozent ausgeschlossen. Aber es variiert, wie lange es dauern kann, und auch die Qualität der Beziehungen der Geschwisterkinder ist unterschiedlich. Geduld und Gelassenheit der Eltern ist hier daher die beste Strategie. Begegnen Sie der Eifersucht mit Elternzeit, die nur dem größeren Kind gehört. Loben Sie es, zeigen Sie sich an seinen Erlebten interessiert. Planen Sie aber auch Gemeinsamkeiten mit beiden Kindern bewusst.
REVIERkind-Tipp: Zertifiziertes Geschwisterkind
Einige Kliniken bieten neben Geburtsvorbereitungskursen für werdende Eltern auch Workshops für baldige Geschwisterkinder an. Beim sogenannten Geschwisterführerschein erlernen die bald Großen allerhand: Wie halte ich das Baby richtig? Wie wird es gewickelt? Wie kann ich mit ihm schmusen oder spielen? Geübt wird an Puppen oder Teddybären. Ziel dieser Kurse – die sich meist an 3- bis 8-Jährige richten – ist es, auf die neue Familiensituation vorzubereiten. Kindgerecht werden zudem alle Fragen rund um das Thema Schwangerschaft und Baby beantwortet.
Eltern über ihre Erfahrungen 
“Wir hatten anfangs wirklich Angst, nicht beiden Kindern gerecht werden zu können, vor allem weil die Große es ja nicht gewohnt war,unsere Aufmerksamkeit zu teilen. Aber wir wurden recht schnell eines Besseren belehrt. Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen sie weniger Verständnis für die neue Situation aufbringen kann, aber sie kümmert sich rührend um ihren kleinen Bruder. Er hat sogar als erster ein „Ich liebe dich“ abgesahnt, noch vor uns!”
(Lena, 31 Jahre, Mama von Zwei)
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Author: Vanessa Wobb
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