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The Hämpels: Vier Mädels vor unserer Tür

The Hämpels: Grafik der Familie The Hämpels
Bildnachweis: Jörn Stollmann

The Hämpels: „Kinder, wie die Zeit vergeht!“

„Jungs, sacht ma, wie is dat eigentlich bei euch mit Haaren am Sack?“ Gefühlt waren wir damals schon volljährig, als Brösel uns auf dem täglichen Weg von der Schule nach Hause diese einschneidende Frage stellte. Ich glaube allerdings, dass Brösel damals noch „Päckchen“ hieß, weil er immer ein bis zwei Trinkpäckchen von Aldi dabei hatte – und dann wäre es noch vor den endgültigen Wirren der Pubertät gewesen.

Wie dem auch sei. Was ich aber ganz sicher weiß: Ich war zum Zeitpunkt von Päckchens Frage schon im Besitz eines mittleren Wildwuchses dort unten und ziemlich überrascht, dass unser Freund bei sich selbst nur von drei einzelnen dunklen Härchen sprach. Doch schon dieser kümmerliche Beginn des späteren Kräuselbewuchses hatte Päckchen komplett aus der Bahn geworfen. Eine irre Begeisterung stand in sein Gesicht geschrieben. Für ihn hatte scheinbar die Stunde des Aufbruchs geschlagen. Ab jetzt war alles möglich.

Man kann es nicht häufig genug sagen und schreiben: Kinder, wie die Zeit vergeht! Nicht mehr lang und Charlie und Jamie sind aus dem „Revierkind“-Alter raus. Woher ich das weiß? Ich will nicht zu indiskret werden, aber das hat was mit dem Beginn des Textes zu tun.

Wenn Sophia sich jetzt über einen der beiden aufregt, weil er mal wieder ein etwas zu frühkindliches Verhalten zeigt, dann flüstert sie mir gerne zu: „Schon Haare am Sack, aber …“. Ich fühle mich dann den Jungs immer sehr verbunden, weil ich an Päckchen und die eigenen ersten Schritte aus den Kinderschuhen heraus denken muss.

Damals gab es ja noch kein Internet und, wie doof das auch klingen mag, die BRAVO war in diesen (ver-)wirren(-den) Tagen ein echter Helfer in der Not. Dr. Sommer und sein Team und die vielen unbearbeiteten Fotos von Gleichaltrigen konnten manche Frage schon beantworten, bevor sie überhaupt zu Ende gedacht war. Und das war auch gut so. Und zudem genau die richtige Menge an Wissensinput. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Wenn man da an die heutigen Möglichkeiten denkt, möchte man eigentlich gar nicht mehr wieder jung sein.

Was sich aber bis heute nicht groß geändert hat, ist der Sexualkunde-Unterricht in der Schule. Wir hatten damals Frau Dr. Wielutzki-Behle in Biologie – und der Name war Programm. Ich weiß nicht genau warum, aber optisch habe ich sie abgespeichert zwischen einer dieser damals so beliebten Troll-Figuren mit den irren Frisuren und einer Monchichi-Puppe. Für einen ersten Austausch über die eigenen, äußerlichen Körpermerkmale war das auf eine seltsame Art befremdlich.

Doch wahrscheinlich hätte ich diese kurze Episode des Biologie-Unterrichts auch schon sehr lange vergessen gehabt, wenn nicht ausgerechnet ich damals derjenige gewesen wäre, der vorne an einem Schaubild mit einem Zeigestock zwei nackte Körper ausführlich vor der ganzen Klasse hätte erläutern müssen. Aber gut, so hatte ich wenigstens gleich das passende Gefühl für den Moment parat, als ich bei Mann und Frau zum Thema „SCHAMbehaarung“ kam.

Und noch etwas lernte ich damals kennen, das ich vorher bei mir noch nie so beobachtet hatte: Ich wurde rot im Gesicht. Genau so erging es übrigens nun dieser Tage Sophia, als sie mit Jamie für die Schule ein Gespräch über Kondome, die Pille und die Spirale führte. Ich kam leider erst dazu, als die beiden gerade über das Material des weiblichen, hormonfreien Verhütungsmittels redeten – hatte allerdings den Anlass und den Anfang der Unterredung verpasst und nur das Wort „Kupfer“ gehört, als ich den Raum betrat.

Aus dem angeborenen Redebedürfnis heraus habe ich dann einfach mal eingeworfen, dass unsere Rohre im Haus tatsächlich aus Kupfer seien – falls das gerade das Thema sei. Das war es ja offenkundig nicht, doch Sophia musste dennoch lachen, weil ihr erstens schon länger danach war und zweitens mein Einwurf scheinbar irgendwelche Assoziationen bei ihr freigesetzt hatte.

Wie schnell die Zeit wirklich verfliegt, merkte Sophia dann einige Tage später, als es an einem Freitagabend gegen 21.20 Uhr schellte. Vor der Tür standen vier Mädels und fragten nach Charlie und Jamie. Sophia war geschockt! Geht es jetzt tatsächlich schon los, fragte sie sich? Doch dann die „Erlösung“. Die Mädels wollten die beiden Jungs nur zum Fußballspielen rausholen.

Doch Sophia wurde schlagartig klar: Die Tage bis zur „Zeche“ sind nun unwiederbringlich näher als die längst vergangenen Zeiten ohne Deo und Rasierer.

Ben Redelings

 

Weitere Infos zum Autor Ben Redelings gibt es hier.

Hier geht es zu weiteren Geschichten aus dem Leben der „Hämpels“.

Julia Schröder
Author: Julia Schröder

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