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The Hämpels: Urlaubsreif

Urlaubsreif ist auch immer eine Frage der Definition. Ich will nicht klagen, und deshalb fange ich lieber mal ganz vor vorne an. Punkt 1 – »Das Packen«: »Das muss mit!«, ist mein absoluter Urlaubs-Lieblingssatz, wenn ich wieder einmal völlig verzweifelt unter einem Kofferberg verschüttet vor dem Auto liege und meine rechte Hand ein Teil in die Luft reckt, das ich seit Jahren nicht gesehen habe – geschweige denn vermisst hätte. Mein zweitliebster Satz lautet: »Das muss auch mit!«. Es ist mir schlicht ein Rätsel, warum bisher noch nie ein Nobelpreis in der Kategorie „Koffer ins Auto packen“ verliehen wurde. Die Stunden vor der Abfahrt in den Urlaub zählen zu den letzten echten Abenteuern, die Mann und Frau heute noch erleben können. Und jedermann kennt sie, die eine spezielle »Blitzbirne«, die in dem Moment um die Ecke kommt, in dem man selbst schweißgebadet, kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehend, genau diesen einen Satz unter gar keinen Umständen hören möchte: »Hast Du das schon einmal so herum probiert?«
Übrigens: Langjährige »Tetris«-Spieler erkennt man daran, dass sie in den entscheidenden Augenblicken Lösungen präsentieren, an die Otto-Normal-Packer noch nicht einmal im Traum denken würde. Im Beisein meiner Kinder würde ich das natürlich niemals zugeben, aber gewisse Computerspiele sind eine echte Lebenshilfe. Vom Klassiker »Summer Games« auf dem C64 profitiert übrigens auch heute noch meine Schnellkraft beim Parmesankäse-Hobeln.
Ach, Sophia meint gerade, die Frage – »Hast Du beim letzten Mal ein Foto davon gemacht?« – nach dem erfolgreichen Verstauen aller Koffer und Taschen im Wagen, sei doch auch einer dieser Standard-Sätze. Stimmt. Und mittlerweile kann ich die Frage sogar mit einem stolzen »Ja« beantworten. Bringt aber alles nichts, wenn statt der Roller diesmal ein kleines Kinderfahrrad noch mit muss. Schön mit der Frage von Sophia versehen: »Das hatten wir letztes Mal nicht mit dabei?« Nein, hatten wir nicht!
Punkt 2 – »Die Fahrt«: Früher, als wir noch keine Kinder hatten, haben Sophia und ich uns den Spaß gemacht und an der ersten Autobahnausfahrt gemeinsam gerufen: »Sind wir gleich da?« Und dann haben wir gelacht. Machen wir heute immer noch so. Allerdings kommen wir mit den beiden Rackern gar nicht erst bis zur ersten Autobahnausfahrt. Unser nicht mehr zu toppender Rekord – nicht gelogen – steht seit dem letzten Sommer bei der ersten Ampel nach exakt drei Minuten Fahrtzeit. Danach war allerdings Ruhe im Karton. Ein Kollege hat schon einmal das komplette Gegenteil erlebt: Seine Kinder wollten nach zehn Stunden Autofahrt am Zielort nicht aussteigen. Die schlüssige Begründung der Kleinen: Ihr Film sei noch nicht zu Ende! Das ist der berühmte Fluch und Segen der neuen Medien an Bord. Den Tränen nahe erzählte der Kollege, dass seine Kinder es noch nicht einmal interessiert habe, wohin Papa und Mama da mit ihnen gefahren waren. Wichtig sei ihnen nur gewesen: Dass es W-Lan gibt und die Steckverbindungen für ihre Spielekonsole zum TV-Gerät passend waren.
Doch noch einmal zurück zur Fahrt an sich. In letzter Zeit sind wir gerne mit Freunden in den Urlaub gereist. Gleiches Ziel, aber in der Regel keine Kolonnenfahrt. Heißt: Die spannendste Frage, die über WhatsApp kommuniziert wurde, war stets: Wann wurde in welchem Auto zuerst gekotzt? Hört sich unappetitlich an – und ist es auch. Ich hatte mein eigenes Schlüsselerlebnis in dieser Beziehung komplett verdrängt, bis mich meine Kinder wieder daran erinnert haben. Damals muss ich so vier oder fünf Jahre jung gewesen sein. Ich saß im sogenannten »Männerfahrzeug«. Die Frauen sollten einen Tag später kommen. Das Auto war niegelnagelneu. Und zum Wagen hatte es vom Autohaus so kleine Miniaturfahrzeuge dazu gegeben. Das weiß ich noch so genau, weil ich eins davon die ganze Fahrt über in der Hand gehalten habe. Bis wir angehalten haben. Und in dem Moment habe ich es fallen gelassen und unserem Fahrer – einem Bekannten meines Vaters – in den Nacken gekotzt. Was nicht auf seinem Kopf landete, fiel nach unten – direkt auf mein schönes neues Auto. Ich habe geheult wie ein Kater, dem man auf die Vordertatze getreten ist. Aber ich war nicht der Lauteste. Bei weitem nicht. Das war der Fahrer und Besitzer des neuen Wagens. Junge, war der laut. Und so haben wir gemeinsam wegen unserer beiden Fahrzeuge geheult. Mein Auto war allerdings hinterher bedeutend schneller wieder sauber – und roch auch nicht so streng, als wir wieder zurückgefahren sind.
Heute kann ich seinen Klagegesang natürlich gut nachvollziehen. Und ich habe allergrößtes Verständnis für meine Jungs – wobei ich sagen muss, man kann da auch selbst viel machen. »Training« ist das Stichwort. Jamie haben wir mittlerweile so konditioniert, dass er tatsächlich bis zur Ankunft durchhält und sich erst dann auf Kommando in bereitgestellte Plastiktüten übergibt. Das ist schon ganz großer Luxus – und wir wissen das auch zu schätzen. Und vor allem haben wir damit beim letzten Winterurlaub wieder einmal den ersten Platz geholt. Ganz knapp vor der Familie, deren Tochter beim Serpentinen-Aufstieg kurz vorm Ziel nicht mehr an sich halten konnte. Das gab selbstverständlich am Urlaubsort von Papa ein Eis extra für unsere beiden Jungs – und für die anderen einen großen Becher mit Sahne direkt vor der Rückreise-Abfahrt.
Genug der Unappetitlichkeiten. Seitdem es an den Autobahnraststätten diese WC-Saubermach-Ketten gibt, sind die Klobesuche ja quasi wie eine Nacht im Burj al Arab – und fast genauso teuer. Und immer gibt es diese dämlichen Gutscheine, die man nie einlöst, weil die ganze Familie erstens eh schon genug zum Futtern und Trinken an Bord hat und zweitens mindestens einer Person im Auto immer gerade schlecht ist. Deshalb sammeln wir die Dinger eisern. Und wir wissen auch schon ganz genau, was wir eines Tages damit anstellen werden. In irgendeiner TV-Reportage haben wir mal ein Pärchen gesehen, die meinten, sie würden die Gutscheine für das erste Kind ihres Sohns aufbewahren. Und, jetzt kommt der Clou: Im Tankstellenshop würden sie dann mit den Gutscheinen das »Baby-Pinkeln« veranstalten. Ein Brüller, oder? Und die Idee ist so bekloppt, dass wir das jetzt auch so machen.
Abschließend kommen wir zu Punkt 3 – »Der Urlaub«. Ehrlich, es wird von Jahr zu Jahr besser. Ich weiß noch genau, wie ein Kollege mit seiner zweijährigen Tochter meinte: »Urlaub mit Kleinkindern ist quasi nur eine Ortsverlagerung des Alltags.« Schön gesagt. Damals kamen Sophia und ich auch regelmäßig »urlaubsreif« aus dem Urlaub. Mittlerweile gibt es Licht am Horizont. Das kann aber auch nur die aufgehende Sonne im Ferienparadies sein. Mal schauen. Wir werden berichten!
Ben Redelings

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