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The Hämpels: Schwein gehabt

Bildnachweis: Jörn Stollmann

Neulich beim Bier fragte ein werdender Vater in die Runde, wie das Leben mit Kindern denn so sei. Ohne eine Sekunde zu überlegen, antwortete Kollege Wolle: »Das ist ganz genau so wie das Spiel ‚Jelly Belly Glücksrad’!« Lächelnd schaute Wolle uns an: »Kennt ihr nicht? Ganz einfach. Ihr dreht an einem Glücksrad und das hält bei einer Farbe. Anschließend müsst ihr in genau dieser Farbe eine von den Jelly Beans essen. Das Tückische: Das Teil kann entweder richtig klasse schmecken – nach Schokoladenpudding, Pfirsich, Limone, Birne – oder richtig scheiße – nach Baby-Windeln, faulen Eiern, stinkenden Socken, Nasenpopeln. Wobei die Geschmacksrichtung Nasenpopel mit Abstand noch die leckerste von den schäbigen ist.« Gerry, selbst zweifacher Vater, nickte: »Jau, das trifft es gut. Du weißt, wenn du morgens aufstehst, nie, was die Blagen den Tag über wieder ausfressen. Manchmal hast du verdammtes Glück und sie kommen erst um neun Uhr rüber zu dir ins Bett, um zu kuscheln. Manchmal hast du aber auch Riesenpech und sie haben am Sonntagmorgen schon um 5.30 Uhr das halbe Kinderzimmer mit ihrem Playmobil-Swimmingpool unter Wasser gesetzt. Das Glücksrad dreht sich jeden Tag einfach immer weiter. So nen Leben muss man wollen. Wobei? Was sage ich da? Man hat ja keine Wahl!« Anschließend bestellten wir für den werdenden Vater erst einmal einen Schnaps. Er hatte sich die Geschmacksrichtungen faule Eier und stinkende Socken wohl zu sehr auf der Zunge zergehen lassen.
Am nächsten Morgen schwang sich die komplette Familie auf, um einem schwedischen Möbelhaus die Aufwartung zu machen. Mit einem leichten Kater im Kopf und noch dazu am Wochenende sicherlich keine Idealkonstellation für einen Wellness-Aufenthalt. Deshalb wäre ein Besuch des Bällebads, jüngeren Lesern wohl besser bekannt unter dem Begriff Smaland, eine fantastische Idee gewesen. Doch warum auch immer: Bisher hatten sich unsere beiden Racker stets hartnäckig geweigert, auch nur eine Fußspitze in das kleine Kinderparadies zu setzen. Das war auch heute so. Nichts half. Gutes Zureden, die Androhung von schwerwiegenden Sanktionen und das Erinnern an nahende Geburtstage – alles vergebens.
So schob man sich also gemeinsam durch die verwinkelten Laufwege und die drängelnde Menschenmasse. Doch siehe da: Nach zwanzig Minuten war der Widerstand gebrochen. Und so wurden die beiden schon wenige Momente später mit einem sanften Klaps durch die Schranke am Eingang zum Bällebad geschubst. Augenblicklich machte sich ein Gefühl der Entspannung breit. Menschen, die keine Kinder haben, können nicht annähernd erahnen, was das für ein wohliges, beruhigendes und erholsames Gefühl ist. Man darf es uns deshalb auch nicht übel nehmen, wenn wir in diesem Zustand durchaus auch einmal die Zeit vergessen.
Und so kam, was kommen musste: der Klassiker! Aus dem Nichts erschallte eine Durchsage, die nur für uns bestimmt war: »Liebe Eltern, der kleine Charlie und der kleine Jamie möchten aus dem Smaland abgeholt werden; der kleine Charlie und der kleine Jamie, liebe Eltern!« Ein lupenreiner Rausschmiss aus dem Bällebad. Dafür, dass die beiden erst gar nicht rein wollten – nicht schlecht.
Kurz darauf zu Hause wollte ich vor dem VfL-Spiel nur noch eben schnell im Garten eine lose Zaunlatte mit einem großen Nagel verarzten. Sophia nervte schon seit Wochen rum, dass ich das vor dem ersten schönen Wetter unbedingt noch zu erledigen hätte. Jamie begleitete mich nach draußen und redete, wie es von morgens bis abends so seine Art ist, ohne Punkt und Komma vor sich hin: »Papa, was meinst du: Wird die Merkel wieder zur Bundeskanzlerin gewählt? Ich finde das ja unfair. Die ist doch schon so lange Bundeskanzlerin und alle, die genauso alt sind wie sie, haben keine Chance auch mal Kanzler zu werden. Das finde ich echt nicht fair.« Ehe ich etwas antworten konnte, hatte sich schon unsere Nachbarin Frau Schwittek über den Gartenzaun gelehnt und zeterte: »Da ist gar nichts unfair dran, Kleiner. Das ist wie mit dem FC Bayern. Was können die denn dafür, wenn die Konkurrenz zu doof ist? Das ist doch nicht denen ihre Schuld. Die Merkel ist einfach besser wie die anderen. Wiewohl ich die ja deshalb selbst nicht gut finden muss!« Mit dem Nagel im Anschlag sah ich aus dem Augenwinkel, wie es bei Jamie im Kopf ratterte: »Papa, wenn die Merkel wie die Bayern ist, wer ist denn dann in ihrem Team so gut wie der Manuel Neuer?« Bums. Die Frage hatte gesessen.
Leider doppelt. Für einen Moment hatte ich die Konzentration schweifen lassen. Und das ausgerechnet in dem Augenblick, in dem ich mit Schmackes ausgeholt hatte. Der Hammer verfehlte knapp sein eigentliches Ziel und donnerte mit Karacho mitten auf das feinfühlige Gelenk des Daumens. Einen Schrei später saß ich in der Notaufnahme des nahen Krankenhauses. Die Niederlage des VfL verfolgte ich per Liveticker. Abends beim Zu-Bett-bringen erzählte mir Jamie, dass er in Tims Poesiealbum auf die Frage, wen er denn gerne einmal persönlich kennenlernen möchte, Frau Merkel geschrieben habe. Aber nicht wegen ihr selbst, sondern wegen des Amts, das sie ausübe. Und die Bayern fände er auch nicht toll – wir wären ja VfL-Fans. Stolz streichelte ich meinem Jungen sanft über den Kopf, machte das Licht aus und ging hinaus. Vor der Tür stehend hörte ich ihn noch sagen: »Wir halten ja schließlich zu den Schwachen …!«
(Nachtrag zum Thema ‚Jelly Belly Glücksrad’: Gerade als ich diese Kolumne fertig geschrieben hatte, rief von unten Sophia, ich solle schnell kommen, da Charlie zwei CDs gleichzeitig in die Kompaktanlage gesteckt habe. Da ginge jetzt gar nichts mehr. Erster spontaner Gedanke: Irgendwie hatten unsere Eltern nicht ganz unrecht damit, dass wir uns solch teuren Geräten nicht einmal bis auf Sichtweite nähern durften. Nach einigen schweißtreibenden und fluchintensiven Momenten hatte ich das Teil aufgeschraubt und wieder zum Laufen gebracht. Als ich zur Probe die CD ‚KNAX-Hörspiel-Spaß 2’ in den Player schob, ertönte die Überschrift des ersten Tracks: »Schweingehabt«. Jau. Das stimmt. Was wäre das Leben nur ohne Kinder!?)
Ben Redelings

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