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Katastrophen und Missgeschicke

Bildnachweis: Jörn Stollmann

Es ist ein toller Vormittag gewesen. Wir hatten Oma und Opa in der
Stadt in einem Café getroffen und anschließend mit Freunden eine Kugel Eis geschleckt. Kurz vorm Mittagessen waren wir dann nach knapp vier Stunden wieder nach Hause zurückgekehrt. Als wir reinkamen, dachte ich, ich würde Wasser rauschen hören. Doch im Gäste-WC war alles zugedreht. Ich eilte Richtung Bad und bemerkte, wie das Rauschen immer lauter wurde. Als ich die Tür zum Badezimmer aufdrückte, strömte mir sofort ein warmer Windhauch entgegen. Im Badezimmer selbst war die Luft diesig wie in einem Hammam – und es war mindestens genauso warm wie in einer türkischen Sauna. Diese völlig unnormale Bullenhitze mitten im Juni in unserem fensterlosen Badezimmer ließ mich schnappatmen. Wie kam bloß dieses außergewöhnliche Klima an einen Ort, an dem normalerweise ganzjährig wohltemperierte Verhältnisse vorherrschten? Erst jetzt registrierte ich wieder das Rauschen. Tatsächlich lief leise und beständig Wasser ins Becken. Nur: Den Hahn bekam ich nicht mit dem ersten Griff zugedreht. Er glühte. Vorsichtig schloss ich ihn mit einem Handtuch. Erst dann wurde mir klar, wie sich unser Badezimmer innerhalb so kurzer Zeit in eine veritable Saunalandschaft verwandeln konnte.Jamie war kurz vor der Abfahrt in die Stadt noch einmal aufs Klo gegangen und hatte sich dann, wie vorbildlich, tatsächlich die Hände gewaschen. Doch anstatt den Wasserhahn in mittlerer Position ganz nach unten zu drücken, hatte er ihn in die äußerste, linke Ecke geschoben. Der Strahl, der nun über vier Stunden aus dem Hahn kam, war nicht besonders kräftig gewesen – aber maximal heiß. Ich schloss die Tür von innen, entledigte mich meiner Kleidung und atmete tief ein. In meinem Innersten hatte ich wohl schon immer von so einer türkischen Sauna geträumt. Als die Luft sich abgekühlt hatte, zog ich mich wieder an und erklärte Jamie mit ruhigen Worten noch einmal ganz detailliert die Funktionsweise des Wasserhahns. Selbstredend schauen wir nun aber immer auch noch einmal nach, wenn wir für längere Zeit gemeinsam das Haus verlassen, ob auch alle Hähne zugedreht sind. Diese kleine Extrarunde drehen wir nun schon seit vier Jahren. Ein Spaß, kann ich euch sagen. Vor allem, wenn man bereits auf der Autobahn Richtung Urlaub ist, und sich dann fragt: Haben wir eigentlich schon unsere Jamie-Wasserhahn-Runde gedreht? Naja. Die Urkunde der Stadtwerke zum Kunden des Monats – in den Kategorien Wasser-, Strom- und Gasverbrauch – hängt übrigens als Erinnerung an meinen Tag im heimischen Hammam in unserem Badezimmer.Das war eine der vielen Fast-Katastrophen, die man im Alltag mit Kindern ständig erlebt. Bei einer war ich nicht dabei, aber Sophia erzählt heute noch gerne von ihrem Schutzengel, der sie und die Kinder vor einem Jahr vor Schlimmeren bewahrt hat. Morgens hatten Charlie und Jamie im Keller gespielt und die Standheizung angemacht. Danach waren sie alle gemeinsam zu Oma und Opa gefahren und erst am späten Abend zurückgekommen. Eigentlich sei das Kommando gewesen: Raus aus dem Auto, Zähne geputzt und ab ins Bett. Doch Jamie hatte dazu natürlich keine Lust gehabt. Seine Verzögerungstaktik: Er wolle diese Nacht unbedingt in seinem Zelt schlafen, das er im Sommer zu seinem Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Ein prima Plan angesichts von Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Nach längeren Diskussionen und einer deutlich fortgeschrittenen Zeit fiel Sophia Gott sei Dank ein, dass Jamie einmal ein Zelt für drinnen geschenkt bekommen hatte. Nicht sehr groß, aber für eine Nacht würde es reichen. Und da Charlie bereits selig in seinem Bett vor sich hin schnarchte, gingen die beiden zusammen runter in den Keller, um das Zelt zu holen. Dieses Mal hatte Sophia ein Sauna-Erlebnis. Der Radiator hatte in acht Stunden und auf volle Pulle gestellt ganze Arbeit geleistet. Nach dem ersten Schock nahm sie Jamie in den Arm. Wahrscheinlich hatte sein störrischer Charakter die Familie vor einer Katastrophe bewahrt. Noch eine ganze Nacht lang wäre das mit dem Heizkörper wohl nicht gut gegangen. Und so drehen wir seit dem letzten Jahr zusätzlich zur Jamie-Wasserhahn-Runde immer auch noch eine kleine Runde durch den Keller, bevor wir das Haus verlassen. Punkte aufs Bonusprogramm für das Extra-Fitnesstraining sind bei unserer Krankenkasse bereits beantragt.Richtig in die Hose ging hingegen eine andere Sache. Wir waren gerade frisch eingezogen, als die Jungs im oberen Stockwerk mit Wasserfarben malen wollten. Kein Problem, dachten wir. Kittel an, Boden mit einer alten Garten-Tischdecke aus Plastik ausgelegt und los konnte es gehen. Nach einem Dutzend toller Bilder, viel Kleckerei auf die Tischdecke und einer ganzen Menge Spaß wollten wir gerade zusammenpacken, als gleichzeitig das Telefon klingelte und es an der Tür läutete. Sophia und ich schauten uns an und entschwanden dann in verschiedene Richtungen. Als ich wieder kam, wusste ich noch nicht, wie es passiert war, sah aber schon die ganze Chose in ihrer vollen Pracht. Von oben herab tropfte es die gerade erst frisch tapezierte und gestrichene Wand in einem tiefdunklen Farbton entlang. Ich eilte nach oben und versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Jamie und Charlie sprangen voll Wonne barfuß in einer Pfütze aus Wasserfarb-Resten herum. Das, was nicht auf der Decke verblieben war, lief an den Rändern zuerst aufs Parkett und dann an der Wand zur Wendeltreppe hinab. Die letzten Farbreste gingen erst vor wenigen Monaten komplett weg, als die Wand in einem neuen Farbton erneut überstrichen wurde.Mit einer anderen Katastrophe, die passierte, als wir gerade unseren Esszimmer-Holztisch frisch gekauft hatten, kann ich allerdings sehr gut leben. Jamie hatte seine Schreib-Unterlage im Eifer des Gefechts etwas verschoben und nicht rechtzeitig gemerkt, dass auch das Blatt nicht mehr so richtig unter dem Stift lag, als er anfing mit dem dicken, schwarzen Edding Buchstaben zu malen. Auch wenn Sophia noch immer nicht ganz überzeugt ist, finde ich: Ein schöner, fetter »VfL Bochum«-Schriftzug hat noch keinem Tisch geschadet!
Ben Redelings

 

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