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Logopädie: Lispeln & Co.

Hat ein Kind schiefe Zähne, dann bekommt es eine Zahnspange, kann es schlecht sehen, verordnet der Arzt eine Brille und bei Schwerhörigkeit ein Hörgerät. Was aber tun, wenn der Sohn oder die Tochter ein Problem mit dem Sprechen hat, womöglich lispelt, stottert oder poltert? Ein Gerät, das zu besserer und deutlicherer Artikulation verhilft, ist noch nicht erfunden. Vielmehr heißt es, die Sprechstörung durch gezielte Übungen zu beheben oder zu mildern und spezielle Sprechtechniken zu trainieren. Logopäden helfen dabei.

Früh handeln!

An der These, dass Kinder grausam sind, ist leider etwas dran. Sie konfrontieren ihr soziales Umfeld häufig sehr direkt mit den jeweiligen Fehlern oder Schwächen. Die meisten von ihnen besitzen noch nicht das Feingefühl zu erkennen, dass sie andere mit ihren Worten verletzen. Hat ein Kind beispielsweise Probleme beim Sprechen, sind Hänseleien und Ausgrenzungen fast schon vorprogrammiert. Damit es erst gar nicht so weit kommt, ist es bei einer Sprechstörung sinnvoll, den Kinderarzt zu konsultieren und bei Bedarf frühzeitig eine logopädische Therapie zu beginnen.

 

Sprech- und Spracherwerb

Ein Logopäde behandelt Menschen, deren Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist. Seine Aufgabenfelder gliedern sich dabei in vier Bereiche: Neben der Sprechtherapie gibt es jene für die Sprache (wir berichteten im Krabauter Nr. 09) sowie die Schluck- und Stimmtherapie. Grundsätzlich muss zwischen der Sprach- und Sprechentwicklung unterschieden werden. Der Spracherwerb bezieht sich auf das Erlernen von Regeln einer Sprache, zum Beispiel im Hinblick auf Grammatik, Wortschatz oder die Regeln des Lautsystems. Sprechen hingegen bedeutet, motorisch korrekt Sprache zu artikulieren. Neben dem Sprechtempo sowie der flüssigen Aussprache gehört dazu auch die richtige Bildung von Lauten, Wörtern, Sätzen und Texten.

 

Sprechentwicklung & Störungen

Die Entwicklung des Sprechens beginnt bereits im frühesten Säuglingsalter, wenn nach wenigen Wochen erste Laute mit den Lippen geformt werden. Sowohl der Saug-, der Beiß- als auch der Schluckreflex tragen zu einem Training der Mundmotorik bei. Das Kind lernt nach und nach seine Sprechwerkzeuge, wie Zunge, Gaumen, Lippen und Kehlkopf, zu benutzen und aufeinander abzustimmen. Und auch die Atmung und die Stimmgebung regulieren sich mit der Zeit optimal. Es tritt ein automatisiertes Zusammenspiel aller Faktoren ein, das zum motorisch korrekten Sprechen führt.

In diesem Ablauf kann es jedoch zu Verzögerungen oder Beeinträchtigungen kommen. Eine Sprechstörung hat dabei fast immer eine physiologische Ursache. Das Kind ist durch seine körperlichen Voraussetzungen (noch) nicht in der Lage, Sprache richtig zu artikulieren. Im Alter von zwei bis fünf Jahren kommt es sogar relativ häufig zu sogenannten „Unflüssigkeiten“, die bei fast 80 Prozent aller Kinder auftreten und kein Anlass zur Sorge oder zur Behandlung sind. Nicht immer verwachsen sie sich jedoch von allein. Gehen sie über ein normales Maß hinaus, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Häufige Sprechstörungen sind neben dem Poltern und Stottern auch Artikulationsstörungen, darunter Lispeln oder Nuscheln.

 

Lispeln als Artikulationsstörung

Landläufig heißt es „Der stolpert über einen spitzen Stein“, wenn jemand lispelt und damit nicht in der Lage ist, die sogenannten Zischlaute „s“, „sch“ und „ch“ richtig auszusprechen. Im Normalfall wird der Laut „s“ hinter den vorderen Schneidezähnen gebildet. Entsteht er dagegen an oder zwischen den Zähnen, kann er sich wie ein hartes englisches „th“ anhören. Mehrere Varianten dieser falschen Aussprache sind dabei möglich. Wer lispelt, der leidet unter der häufigsten Artikulationsstörung. Vor allem bei Kindern im Vorschulalter ist Lispeln nicht selten, gut 10 Prozent sind davon betroffen. Die Ursachen können organisch sein, zum Beispiel durch Mundraumerkrankungen, Zahnfehlstellungen oder Beeinträchtigungen des Hörsystems, aber auch einen funktionellen Ursprung haben: Möglicherweise ahmt das Kind ein schlechtes Sprechvorbild nach oder äußert die Laute von Anfang an nicht deutlich genug. Durch fehlerhaftes Training entsteht dann schnell ein falscher Automatismus.

 

Kontrollverlust der Stimme

Etwa fünf Prozent der Kinder stottern vorübergehend, meist verschwindet dieser Kontrollverlust des eigenen Redeflusses nach einiger Zeit aber von selbst wieder. Symptome sind vor allem die unbeabsichtigten Wiederholungen von einzelnen Lauten, Silben oder ganzen Wörtern. Das kann sich zum Beispiel in einem „Ki-Ki-Ki-Kinder“ äußern oder auch in „Tür-Tür-Tür“. In einigen Fällen werden einzelne Laute extrem in die Länge gezogen („Hhhhhhhhund“) oder der Sprachfluss pausiert kurzzeitig mitten im Satz. Stottern löst darüber hinaus nicht selten Nebenerscheinungen aus, wie Grimassen schneiden, wildes Gestikulieren der Arme oder Bewegungen des Kopfes. Sobald das Kind seinen unterbrochenen Redefluss selbst registriert, sind weitere negative Auswirkungen möglich: Sie fangen an zu flüstern, versuchen umständlich, Wörter komplett zu vermeiden oder bringen regelmäßig „Ähms“ unter. Stottern kann nur in bestimmten Situationen zum Tragen kommen oder phasenweise sogar gänzlich symptomfrei verlaufen. Wissenschaftlich ist die Ursache bis heute nicht exakt belegt – wahrscheinlich ist jedoch die These, dass Stottern in den Genen verankert ist. Auch können besondere Ereignisse im jungen Alter eine Rolle spielen.

 

Sprintmarathon des Sprechens

Unter Laien wird es häufig mit dem Stottern verwechselt, dabei geht es beim Poltern vor allem um das Sprechtempo. Wer poltert, scheint einen Sprint durch seine Aussagen absolvieren zu wollen. Laute werden dabei verschluckt, Wörter oder Silben verschmelzen. Möglich sind auch Wiederholungen einzelner Laute, Silben oder Satzbestandteile. Das Ergebnis kann für den Zuhörer nahezu unverständlich sein. Polterer unterscheiden sich von Stotterern, da sie ihre Störung meist nicht als solche wahrnehmen und sich bei größerer Konzentration sogar weitestgehend normal ausdrücken können. Auch hier gibt es für die Ursache bis heute keinen exakten wissenschaftlichen Nachweis. Ein neurologischer Erklärungsansatz geht davon aus, dass polternde Kinder sich sprachlich artikulieren, bevor die Aussage im Gehirn abgeschlossen ist bzw. verarbeitet wurde.

 

Logopädische Therapien

Eine logopädische Maßnahme aufgrund einer Sprechstörung empfiehlt sich ab einem Alter von etwa vier bis fünf Jahren, in Einzelfällen auch früher. Nicht immer ist eine Behandlung, zum Beispiel beim Stottern, überhaupt nötig. Ein guter Logopäde wird dies nach einer eingehenden Diagnose jedoch beurteilen können. Abhängig von der Art und Schwere der Störung sowie dem Alter des Kindes erhält es eine individuelle, altersgerechte, meist spielerische Sprechtherapie.

Beim Lispeln geht es darum, die Mund- und vor allem Zungenmotorik sowie die auditive Selbstwahrnehmung zu schulen. Die Kinder müssen lernen, ihre falsch gebildeten Laute selbst zu erkennen, um schließlich die korrekte Bildung neu zu lernen und zu automatisieren. Die Poltertherapie beschäftigt sich neben dem Wort- und Silbenaufbau, der Grammatik, dem allgemeinen Sprachverständnis und Kommunikationsverhalten auch – ähnlich wie beim Lispeln – mit der Eigenwahrnehmung sowie der Mundmotorik des Kindes. Sogar körperliche Koordinationsübungen werden nicht selten integriert. Ein Logopäde sollte darüber hinaus das private Umfeld mit einbeziehen, um so mögliche Auslöser für das zu schnelle Sprechtempo auszuloten und in der Folge eine neue Struktur in den Alltag einzubauen. Eine Mitarbeit der Eltern ist daher sinnvoll und meist auch erwünscht.

Beim Stottern werden die Eltern ebenfalls mit in die Therapie integriert, da auch sie lernen müssen, mit dem Manko des Nachwuchses angemessen umzugehen. Für das Kind ist es wichtig, den eigenen Sprechfehler möglichst entspannt und vor allem angstfrei anzusehen. Die Therapiemethoden beinhalten weiterhin spezielle Sprechtechniken aber auch Verhaltenstraining. Wer zu einem frühen Zeitpunkt beginnt, erstickt das Stottern dann sozusagen direkt im Keim. Erst nach der Pubertät begonnene Behandlungen können die Störung in der Regel nicht mehr komplett beheben. Den zeitlichen Aufwand jeder sinnvollen logopädischen Maßnahme, dessen Kosten übrigens von den Krankenkassen übernommen werden, sollten Eltern im Hinblick auf „später“ also durchaus in Kauf nehmen.

Text: Katrin Hainke

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