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Der unerfüllte Kinderwunsch

„Wann ist es denn bei euch soweit?“, „Wann kommt denn das Zweite?“, „Ist der Altersunterschied zwischen euren Kindern nicht etwas groß?“ – Fragen, die viele Paare – insbesondere Frauen und Männer über 30 – nicht selten zu hören bekommen. Fragen, hinter denen keine böse Absicht steckt, sondern Neugierde, da eine Schwangerschaft oftmals als selbstverständlich empfunden wird. Fragen, die für viele Paare jedoch verletzend sind und sie mit ihrem großen Problem konfrontieren: dem unerfüllten Kinderwunsch! Schwanger zu werden, ist gar nicht so selbstverständlich. Es handelt sich dabei tatsächlich um einen sehr komplizierten Prozess, bei dem alle Voraussetzungen stimmen müssen. Selbst bei einem jungen, gesunden Paar, das regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis bei lediglich ca. 25 Prozent. Jede Frau hat pro Monat nur wenige Tage, an denen eine Befruchtung der Eizelle überhaupt stattfinden kann. Von Natur aus ist daher das Ausbleiben einer Schwangerschaft eher die Regel als eine erfolgreiche Zeugung.
Biologisch gesehen ist für Frauen zwischen 20 und 30 Jahren das günstigste Alter, um schwanger zu werden. Bereits ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Fruchtbarkeit ab, und es kann deutlich länger dauern, bis eine Schwangerschaft eintritt. Bei Frauen ab 40 Jahren kommt es nicht mehr in jedem Zyklus zu einem Eisprung, damit verringert sich die Chance auf eine Schwangerschaft. Parallel dazu steigt das Risiko einer Fehlgeburt mit dem Alter der Frau. Bei Männern nimmt die Fortpflanzungsfähigkeit ebenfalls ab dem 40. Lebensjahr ab, sie bleibt jedoch bis ins hohe Alter erhalten. Generell gilt, dass die Chancen, ein Kind zu zeugen, mit dem Älterwerden sinken.
Fakt ist, dass der richtige Zeitpunkt für ein Kind von Paar zu Paar unterschiedlich ist. Dabei steht nicht zwingend das biologisch beste Alter im Vordergrund, die persönliche Lebenssituation, die Partnerschaft, die berufliche Entwicklung und die seelische Reife spielen eine ebenso große Rolle. Mittlerweile kommt dieser Zeitpunkt immer später: Laut Statistischem Bundesamt lag das durchschnittliche Alter der Mutter bei der Geburt eines Kindes 2015 in NRW bei 30,8 Jahren.
Was bedeutet eigentlich Unfruchtbarkeit?
Nach einer medizinischen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt ein Paar erst dann als unfruchtbar (infertil), wenn nach einem Jahr mit regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Empfängnis stattgefunden hat. Jede dritte Frau wartet laut einer Umfrage länger als ein Jahr auf eine Schwangerschaft. Kündigt diese sich nach einem Jahr oder länger immer noch nicht an, könnte eine Fruchtbarkeitsstörung vorliegen, die unter Umständen ärztlich behandelt werden kann. Denn in den meisten Fällen handelt es sich nicht um eine vollständige Unfruchtbarkeit, sondern um eine vorübergehende Fruchtbarkeitsstörung wie beispielsweise ungenügende Samenqualität oder eine krankhafte Veränderung der Eileiter. Statistisch gesehen verteilen sich die Störungen mit jeweils etwa 30 Prozent gleichmäßig auf Mann und Frau. In den restlichen Fällen besteht eine Störung bei beiden Partnern. Bei ca. 15 Prozent der betroffenen Paare lässt sich zudem keine organische Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch finden.
Schwanger werden mit medizinscher Hilfe
Ob sich Paare schlussendlich für die Hilfe der Medizin entscheiden oder der Natur ihren freien Lauf lassen, ist ein individueller Schritt. Viele sind nach der langen Zeit, in der sie sich bemüht haben, schwanger zu werden, mutlos und enttäuscht und legen ihre letzte Hoffnung auf eigenen Nachwuchs in die Hände der Medizin. Andere wiederum haben Vorbehalte und Angst vor den Folgen einer Kinderwunschbehandlung. Entschließt sich ein Paar für medizinische Hilfe, kann es zunächst die gynäkologische beziehungsweise die urologische Praxis für den Mann als erste Anlaufstelle aufsuchen. Im nächsten Schritt empfiehlt sich der Weg in ein medizinisches Zentrum für Fruchtbarkeitsbehandlungen, sogenannte Reproduktions- oder Kinderwunschzentren. Dort werden zunächst ein ausführliches Erstgespräch und alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt, um mögliche Ursachen für die Kinderlosigkeit herauszufinden. Erst nach Klärung der Gründe kann ein Therapieplan erstellt werden.
Noch vor einer Kinderwunschbehandlung in Form von Hormonbehandlungen und/oder künstlicher Befruchtung können in manchen Fällen auch andere Maßnahmen zu einer gewünschten Schwangerschaft verhelfen. Je nach Diagnose könnten beispielsweise zuvor mögliche Schilddrüsenfehlfunktionen behoben oder der Eisprung durch gewisse Mittel unterstütztw erden. Sind diese Behandlungen nicht hilfreich oder ausgeschlossen, bleibt immer noch der Weg einer künstlichen Befruchtung. In der Kinderwunschbehandlung gibt es zahlreiche verschiedene Therapiemöglichkeiten. Die meisten Methoden greifen tief in den weiblichen Körper ein. Daher ist es wichtig, sich als Paar gemeinsam zu entscheiden und sich genau über den Ablauf, mögliche Risiken und Erfolgschancen der entsprechenden Therapie zu informieren.
Die Behandlung richtet sich immer nach den Ursachen der eingeschränkten Fruchtbarkeit des Paares und sie erfolgt schrittweise. Begonnen wird beispielsweise mit leichter Hormontherapie und Samenübertragung. Stellt sich dabei kein Erfolg ein, wird seitens der Ärztin oder des Arztes erst dann zu Therapien wie der In-vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) geraten. Die IVF-Methode bedeutet „Befruchtung im Glas“ und wird angewendet, wenn die Eileiter der Frau verschlossen sind oder bei stark eingeschränkter Qualität der Samenzellen. Sie kommt ebenfalls nach dem Scheitern vorheriger Therapien zum Einsatz. Die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle erfolgt außerhalb der Gebärmutter in einem Laborschälchen. Die ICSI ist die häufigste Methode der künstlichen Befruchtung. Sie wird angewendet, wenn die Samenzellen weder im Eileiter noch im Laborschälchen eine Eizelle befruchten können.
Beide Behandlungen erstrecken sich über mehrere Wochen, fordern verschiedene Schritte und sind seit Jahren erprobte Methoden, die nichtsdestotrotz überaus kompliziert und somit auch störungsanfällig sind. Es kann beispielsweise passieren, dass sich trotz Hormonstimulation nicht immer befruchtungsfähige Eizellen entwickeln oder die Befruchtung nicht gelingt. Die durchschnittliche Geburtenrate dieser beiden Verfahren liegt jeweils bei 15 bis 20 Prozent pro Behandlungszyklus. Die Erfolgschancen hängen dabei stark von den persönlichen Voraussetzungen ab.
Kostenübernahme
Die Kosten einer Kinderwunschbehandlung hängen von verschiedenen Faktoren wie der Art der Behandlung sowie der Anzahl und Auswahl der Medikamente ab. Seit 2004 gilt: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen 50 Prozent der entstehenden Kosten, allerdings nur für drei Versuche.Zudem ist die Kostenübernahme an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Die Höhe unterscheidet sich von Kasse zu Kasse und von Jahr zu Jahr.
Unerfüllter Kinderwunsch belastet die Seele
Die meisten Paare, die sich für eine medizinische Kinderwunschbehandlung entscheiden, setzen große Hoffnungen in die Therapie. Doch nicht jede Behandlung führt zum Erfolg und die Teilnahme an einer solchen Therapie erfordert daher durchaus psychische Stabilität. Die Zeit vor und während der medizinischen Behandlung kann sehr belastend sein: Hoffnung, dass der nächste Test positiv ist, Enttäuschung, wenn es wieder mal nicht geklappt hat, Warten auf den nächsten Versuch – das sind extreme Gefühlsschwankungen für die betroffenen Paare. Damit können Schuldgefühle, Trauer, Frustration und ein gekränktes Selbstwertgefühl einhergehen. Manche Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ziehen sich aus Selbstschutz von Freunden und Verwandten zurück, die im Begriff sind, Eltern zu werden oder die schon Kinder haben. Auch die eigene Beziehung wird nicht selten vor eine große Herausforderung gestellt. Eine psychologische Begleitung oder das Gespräch mit anderen betroffenen Paaren, die in derselben Lage waren oder sind, können helfen.
Für Fragen, die über die medizinische Beratung und Behandlung hinausgehen, stehen Paaren zudem verschiedene psychotherapeutische sowie rechtliche Beratungen zur Verfügung. Dafür können sie sich an Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen (z.B. pro-familia, AWO, Diakonie,Donum Vitae, SKF) oder niedergelassene Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wenden. Die Familienplanung ist kein Small-Talk-Thema, sondern eine sehr intime und persönliche Angelegenheit. Fragen zur Nachwuchsplanung sind für viele Paare verletzend und Frauen, die mit über 30 noch keine Kinder haben, sollten nicht direkt als „Karrierefrau“ abgestempelt werden – es kann immer ein unerfüllter Kinderwunsch dahinterstecken!
Unter www.familienplanung.de gibt es Infos rund um das Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“. Eine integrierte Beratungsstellensuche bietet einen schnellen Zugang zu Beratungsstellen in Wohnortnähe. Ebenso können sich Betroffene und Interessierte unter www.informationsportal-kinderwunsch.de beispielsweise über finanzielle Unterstützung oder psychosoziale Beratungsangebote informieren.
EmbryonenschutzgesetzIn Deutschland regelt das Embryonenschutzgesetz die Anwendung der Fortpflanzungstechnik und den Umgang mit Embryonen. Nach dem Gesetz gilt die befruchtete, entwicklungsfähige Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an als Embryo. Gesetzlich verboten sind: Verwendung fremder Eizellen, Leihmutterschaft, Experimente an Embryonen, eine Geschlechterauswahl bei Spermien (außer bei schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheiten) und die Verwendung von Samen bereits Verstorbener. Den vollständigen Gesetzestext gibt es unter www.gesetze-im-internet.de/eschg/
Hier finden Sie außerdem noch einen REVIERkind-Buchtipp zum Thema: Melanie Croyé – Wenn der Storch nicht von alleine kommtAutorin: Julia Schröder
Bildnachweis: ©stadtratte – Fotolia.com

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