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Ein Familien-Reisebericht

Bildnachweis: Christine Sinterhauf

„Dag, dag, dag“, brabbelt meine kleine Tochter vor sich hin und versucht unbeirrt mit ihren kurzen Beinchen den kleinen Steinhügel am Wegesrand zu erklimmen. Tack ist ihr schwedisches Lieblingswort, was hier so viel wie Danke heißt. Eigentlich müsste sie es härter aussprechen, aber bei ihr klingt es mehr wie dag.

 

Unsere Kleine Maus ist eine Spätentwicklerin. Alles kam bei ihr später im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern. Sie drehte sich später, saß später, krabbelte kaum und begann erst mit 1 ½ Jahren zu laufen. Dafür ist sie jetzt schon ganz sicher unterwegs. Seit wir auf unserer langen Reise sind, hat sie einen beachtlichen Entwicklungsschub im sicheren Laufen gemacht. Kein Wunder! Läuft sie doch jeden Tag bei unseren Wanderungen in den norwegischen Bergen über weite Strecken selbst. Sie ist eine sehr eifrige und ausdauernde Läuferin geworden.

Mehr als zwei Monate sind wir nun schon unterwegs auf einer nicht ganz gewöhnlichen Reise. Einer Langzeitreise in der Elternzeit. Viele würden vielleicht Weltreise dazu sagen, doch so hoch möchte ich den Status nicht stecken, da wir ja nur um die halbe Welt reisen werden. Dennoch werden wir fast ein Jahr mit unseren beiden Kindern (zwei und vier Jahre alt) auf Reisen sein. Wir befinden uns also gerade erst am Anfang eines großen Abenteuers mit unseren beiden kleinen Kindern.

Norwegen – Im Land der Mitternachtssonne

Ende Mai erreichen wir mit unserem voll beladenen Kleinbus die liebliche anmutende Kleinstadt Kristiansand in Südnorwegen. Als begeisterte Radler haben wir natürlich unsere Fahrräder dabei und werden einige Strecken in Norwegen sowie Schweden mit den Fahrrädern und einem Kinderanhänger zurücklegen. Skandinavien erwartet uns mit herrlichem Sommerwetter. So können wir diese Reise von Anfang an genießen. Wir radeln auf der Setesdalroute von der Südküste durch das liebliche Setesdal über 250 Kilometer bis nach Haukeligrend. Dort in den Bergen am Rande der Hardangervidda (größter Hochebene Europas) unternehmen wir kleine Wanderungen mit unseren Kindern, bevor es mit dem Bus weiter in den hohen Norden geht. Es gibt in Norwegen so unheimlich viel zu sehen und zu erleben. Das Land birgt wahre Natur- und Kulturschätze in sich. Neben Stabkirchen, Naturmusseen, der berühmten Flambahn und der geschichtsträchtigen Kulturstadt Bergen besuchen wir den beliebten Geirangerfjord, die kurvenreichste Straße Europas, den Trollstiegen, sehen unendlich viele Wasserfälle und bewandern imposante Naturschutzgebiete wie den Jotunheimen und Jostedalsbreen Nationalpark. Wir feiern den zweiten Geburtstag unserer Tochter in den atemberaubenden Fjorden des Südens und erleben das karibische Flair der Lofoten im hohen Norden – dem Land der Mitternachtssonne.

Lappland ist schön – Nils. Sehr schön!

Dem in Elternkreisen bekannten Zitat der Wildgans „Akka von Kebnekaise“ aus der Zeichentrickserie „Nils Holgerson“ kann ich mit vollem Herzen beipflichten. Lappland ist wirklich ein Erlebnis. Eigentlich wollten wir den Norden Schwedens so schnell wir möglich durchqueren. Doch schon auf den ersten Kilometern wird klar, dass wir uns für Lappland mehr Zeit nehmen werden. Schwedisch-Lappland ist mit seinen unbesiedelten und unendlich erscheinenden Weiten extrem faszinierend. Es gibt mehr Rentiere als Einwohner und selbst Bären streifen noch durch die menschenleeren Fjälls. Wir erleben die nördlichste Stadt Schwedens namens Kiruna (Schneehuhn) in der unbesiedelten Weite des hohen Nordens, besuchen eine traditionelle Samiwerkstatt sowie ein Samimuseum und lernen hierbei die gewachsene Kultur und das uralte Handwerk der ursprünglichen Bevölkerung Lapplands auf ganz anschauliche Weise kennen. Den Kindern kaufen wir dort zwei süße Stoffrentiere, die sie von Anfang an heiß und innig lieb haben. Wir wandern auf niedrige Hügel hinauf und werden mit Blicken über atemberaubende Landschaften belohnt, die sich bis zum Horizont erstrecken und weiter. Wir zeigen den Kindern den höchsten Berg Schwedens, den Kebnekaise, der unserer lieben und weisen Wildgans Akka seinen Namen gab.

Wir fahren weiter in den Süden Lapplands, besuchen eine Elchfarm. Dort dürfen die Kinder kleine Elchbabys streicheln, die immer noch viel größer sind als unsere Däumlinge. Die Entfernungen zwischen den einzelnen kleinen Städten und Dörfern in Lappland sind weit und die Straßen einsam und leer. Umso mehr verwundert uns, dass die Siedlungen im hohen Norden im Sommer sehr bevölkert und wuselig erscheinen. Auf den großen Campingplätzen des Nordens herrscht ein munteres Treiben. Viele Familien mit kleinen Kindern sind unterwegs und unsere Kinder finden immer einen Spielkameraden auf Zeit.

Für Kinder gibt es in Schweden tägliche kleine und große Freuden: die Spielplätze. Familienurlaub in Schweden bedeutet, dass man nach wenigen Wochen fast alle Spielplätze zwischen Lappland und Trelleborg kennt. Selbst im hohen Norden findet man überall schöne und vor allem gepflegte Spielplätze und Parkanlagen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit im Niemandsland erreichen wir mit Stockholm den südlichen Teil Schwedens.

Kinderabenteuerland Südschweden

Ein Familienurlaub in Schweden weckt Erinnerungen. Sicherlich auch bei dir! Denkt man bei Schweden nicht an blühende Sommerwiesen, goldene, leicht im Wind wiegende Weizenfelder, kleine rote Sommerhäuschen mit strahlend weißen Fensterchen und winzigen Türen, schmucke, liebevoll gehegte Gärten mit Wildblumen und kleinen Apfelbäumchen, bei denen man nur die Hand ausstrecken muss, um ein purpurrotes Äpfelchen zu ergattern. Die Kinder tragen Holzschuhe ohne Strümpfe, die Buben sind blond, haben immer eine Mütze auf dem Kopf und die Mädchen tragen Spitzenschürzen und schmücken ihr Haar mit großen Schleifen. Und da gibt es noch ein Mädchen in viel zu großen Schuhen, auf deren kleiner kecken Nase tausend Sommersprossen tanzen und feuerrote Zöpfe, die ihr an beiden Seiten lustig vom Kopf abstehen. Denke ich an Schweden, ist die friedliche und abenteuerliche Welt von Astrid Lindgren immer in meinem Kopf – ob ich will oder nicht. Aber wie ist er denn wirklich – so ein Sommer in Südschweden.

Es ist Mittagszeit und sehr heiß geworden. Wir sitzen im kühlenden Schatten, den große Kiefern auf den Platz vor unserem Zelt werfen. Die Kinder spielen friedlich auf dem nahegelegenen Spielplatz und wir können sie von unserem lauschigen Plätzchen aus gut beobachten. Der Sommer ist hier in seinen letzten Zügen, der August ist schon weit fortgeschritten. In Schweden werden die Tage bekanntlich schon früher dunkel und grau. Wir aber erleben einen Sommer in Südschweden, wie man ihn sich nur wünschen kann, genauso wie wir es uns in unserer Fantasie ausgemalt haben. Es ist herrlich!

Die Landschaft um Vimmerby im Süden Schwedens ist sanft hügelig und dicht bewaldet. Riesige verzauberte Wälder lassen die Fantasie Wellen schlagen. In dieser märchenhaften Umgebung spielen zahlreiche Romane von Astrid Lindgren und ihren kleinen Helden. Selbst wer als Erwachsener weniger Fantasie besitzt, kann hier den Geist von Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf oder Madita spüren. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese Landschaft mit Astrid Lindgren eins ist und jeder Stein und Baum erzählt ihre Geschichten weiter.

Wir fahren von Vimmerby aus 25 Kilometer in den Nordwesten nach Gibberyd. Dort, tief im Wald versteckt, liegt der Katthulthof von Michel aus Lönneberga (der im Original übrigens Emil heißt). Der Drehort der Filme wird hier bis heute für Touristen im Originalzustand erhalten. Selbst den Tischlerschuppen, in den der kleine Michel immer flüchtete, wenn er etwas angestellt hatte, kann man mit all seinen Holzfiguren bewundern. Ebenfalls kann man noch die Trissebude und den Schuppen, in dem der Knecht Alfred einst geschlafen hat, besichtigen.

Im Südwesten von Vimmerby besuchen wir Bullerby, was eigentlich Sevedstorp heißt. Dort wurde Astrid Lindgrens Vater geboren. Wer die Filme kennt, wird den klitzekleinen Ort sofort wieder erkennen, in dem „die Kinder von Bullerby“ gedreht wurde.

Das eigentliche Highlight im Astrid Lindgren Land ist allerdings der Astrid-Lindgren-Erlebnispark, ein Märchenpark, der die bekanntesten Werke der Schriftstellerin in Theaterstücken zeigt. Hier findet man die Mattisburg aus der Geschichte Ronja Räubertochter, die Villa Villekulla von Pippi Langstrumpf und den Katthulthof von Michel aus Lönneberga in original Kindergröße. Was das für Eltern heißt erfahren sie spätestens dann, wenn sie versuchen den Nachwuchs davon zu überzeugen, die kleinen bunten Häuschen wieder zu verlassen. Es ist schon süß zu sehen, wie Väter auf den Knien robbend sich bemühen durch die engen Türen zu kriechen und die Kinder, wohlwissend, dass ihnen kein Erwachsener folgen kann, ins nächste Zimmerchen verschwinden. Bäuerliche Landschaften mit Scheunen zum gegenseitigen Heubewerfen und Toben, zahlreiche Abenteuerspielplätze und Tiere zum Streicheln machen den Astrid Lindgren Park zum einem natürlichen Erlebnispark, der ohne elektronische Fahrgeschäfte Kinderaugen zum Leuchten bringt.

Wer die schwedische Schriftstellerin als Person näher kennen lernen möchte, sollte das   Museum (Astrid Lindgren Gården) in Vimmerby besuchen.

Eine weitere Sehenswürdigkeit, die ausnahmsweise nichts mit Astrid Lindgren zu tun hat, findet man im Dorf Södra Vi nahe Vimmerby. Im Museum »Lilla Landet« (übersetzt: kleinen Land) kann man auf den Spuren von Nils Holgersson die schwedischen Landschaften in Miniaturausgabe bewundern.

Gegen Ende des Urlaubs bleibt uns das schöne Wetter nicht mehr treu. Es ist wechselhaft, und auf sonnige Tage folgen kühle mit starken Regenfällen. Auch so kann das typische Schwedenwetter aussehen. Wir wandern durch die verwunschenen immergrünen Regenwälder des Norra Kvill Nationalparks und erleben Piratenabenteuer auf Takka Tukka bei einer Kanufahrt auf dem See Krön bei Vimmerby.

Leider ist auch der schönste Urlaub einmal vorbei. Mit der Ankunft in Trelleborg Anfang September findet die Reise nach Skandinavien ein Ende. Für uns war es ein Sommermärchen im hohen Norden Europas. Nicht im Traum haben wir mit so vielen heißen Tagen und lauen Sommernächten im Land der Mitternachtssonne gerechnet. Umso schwerer wiegt die süße Erinnerung an den zauberhaften Norden.

Christine Sinterhauf

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