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Abschied: Wenn Kinder trauern

Kinderzeichnung Regenbogen - Symbolbild Wenn Kinder trauern
Bildnachweis: 2: © vvoe-Fotolia.com

Das Thema Sterben ist nichts für Kinder, finden viele Erwachsene. Automatisch versuchen Eltern daher ihren Nachwuchs vor negativen Erfahrungen wie Tod und Trauer abzuschotten und zu schützen, weil sie ihm einfach alles Glück auf Erden wünschen und jegliches Leid ersparen möchten. Dabei gehört der Tod zum Leben dazu, und er sollte nicht verschwiegen werden. Denn Kinder dürfen und sollen trauern, brauchen dabei aber Unterstützung. Es liegt an uns Erwachsenen, ihnen zuzutrauen, dass sie den Trauerprozess bewältigen zu können.

Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper vom Lavia-Institut für Familientrauerbegleitung in Gelsenkirchen hat in ihrer Arbeit mit trauernden Familien die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Kinder, die Leid erleben, aber trauern dürfen und dabei Begleitung erfahren, oft als starke Menschen aus dieser Situation hervorgehen.

Kindern den Tod erklären

Uns Erwachsenen fällt es meist schwer, über den Tod zu sprechen, denn viele von uns haben nie gelernt, offen mit dem Thema umzugehen. Dennoch ist es wichtig Kindern zu erklären, was es bedeutet, wenn ein Mensch oder ein Tier nicht mehr lebt – am besten so früh und so normal wie möglich.

Es ist jedoch nicht unbedingt ratsam damit zu warten, bis ein geliebter Mensch stirbt und man selbst emotional ergriffen ist. Mechthild Schroeter-Rupieper zeigt anhand einer Alltagssituation, dass Eltern mit ihren Kindern, ohne akut in Trauer zu sein, über den Tod sprechen können: „Sieht man eine tote Maus im Garten, kann man sie beerdigen. So ist es möglich, am Beispiel der Maus über den Tod zu reden, Kindern Fragen zu beantworten, ohne allzu ergriffen zu sein, und ihnen gleichzeitig Rituale beizubringen, beispielsweise, wie eine Beerdigung abläuft.“

Kinder brauchen Erklärungen

Wie aber soll man sich verhalten, wenn es nun die Oma ist, die gestorben ist? Vermeintlich schonende Formulierungen wie „sie ist eingeschlafen“ oder „sie ist von uns gegangen“ sollten besser vermieden werden. Solche Umschreibungen können Kinder verstören. Verstorbene wachen nicht mehr auf und kommen nicht wieder. Kinder brauchen eine verständliche und realistische Erklärung, unter der sie sich etwas vorstellen können. Eine solche Erklärung könnte so aussehen: „Oma atmet nicht mehr, lacht, weint, spricht nicht mehr. Ihr Herz schlägt nicht, deswegen fließt kein Blut in den Adern und Oma wird ganz kalt. Aber es ist immer noch unsere Oma, die tote Oma. Und der können wir jetzt „tschüss“ sagen.“

Wie wichtig diese Informationen sind, zeigt die Fantasievorstellung der knapp achtjährigen Eva, die sie vom Tod hatte, bis sie mit Frau Schroeter-Rupieper sprach. Die Mama des Mädchens war todkrank, und die Trauerbegleiterin erzählte Eva, wie das Sterben vor sich geht. Danach sagte sie: „Ich bin so froh, dass du das erzählt hast. Ich dachte immer, wenn Mama stirbt, dann liegt im Bett ein Skelett…“

Dieser Gedanke war ein Grund dafür gewesen, warum Eva die Mama nicht mehr im Krankenhaus besucht hatte. Nach dem Gespräch ging sie noch eine Woche dorthin, bevor die Mutter schließlich starb. „Hätte man gesagt, man antwortete nur auf Evas Fragen, man hätte lange warten können. Sie hätte keine Fragen gehabt. Wenn ich kein Basiswissen habe, kann ich auch nichts fragen“, so Schroeter-Rupieper.

Kinder brauchen diese Informationen und Erklärungen, sonst machen sie sich ihre eigenen Bilder, und die kindliche Fantasie kennt keine Grenzen und kann zu schrecklichen Vorstellungen führen, wie es bei der kleinen Eva der Fall war.

Kinder müssen Abschied nehmen dürfen

Wenn es um das Thema Beerdigung geht, stehen Eltern vor vielen Fragen: Soll ich mein Kind mit zur Beerdigung nehmen? Kann ich ihm das zumuten? Dürfen die Kleinen ihre tote Oma am Sarg besuchen? Die Trauerbegleiterin ist der Meinung, dass Kinder in jedem Alter an einer Beerdigung teilnehmen können und sollen, denn es ist eine Abschiedsfeier. „Ich frage meine Kinder nicht, ob sie zu Omas 80. Geburtstag mitkommen, denn selbstverständlich kommen sie mit und gratulieren“, so Schroeter-Rupieper. „Was ist an einer Beerdigung schlimm? Ich behaupte, sie ist nicht schlimm, sie ist „nur“ traurig. Und traurig sein können, das dürfen und müssen Kinder in ihren Familien lernen.“

Natürlich müssen Kinder auch an dieser Stelle ausreichend Informationen und Erklärungen erhalten um Ablauf, Sinn und Zweck der Trauerfeier zu verstehen. Wenn die Eltern emotional nicht in der Lage sind, ihrem Kind an diesem Tag zur Seite zu stehen, sollte eine andere Bezugsperson für Fragen und Beistand zur Stelle sein.

Aufbahrung als wichtiges Ritual

Die tote Oma im Sarg zu sehen, hält die Trauerbegleiterin für einen notwendigen Schritt zwischen Tod und Beerdigung. „Die Aufbahrung ist ein wichtiges Ritual, das den Kindern hilft zu begreifen, dass der geliebte Mensch wirklich tot ist und auch in drei Jahren nicht wieder kommt“. Erklärungen stehen hierbei an erster Stelle. Die Kinder sollten beispielsweise darauf vorbereitet sein, dass der oder die Verstorbene Flecken hat, die mit blauen Flecken nach dem Spielen zu vergleichen sind. So kann eine mögliche Schrecksekunde vermieden werden.

Ein schönes Ritual ist auch, der toten Oma zum Abschied noch ein Bild, einen Brief oder das Lieblings-Kuscheltier mit in den Sarg zu legen. Damit wirkt die Situation gleich nicht mehr so bedrohlich und die Kinder dürfen ihrer liebsten Oma noch etwas Besonderes mitgeben.

Kinder trauern anders

Eltern empfinden es oftmals als befremdlich, wenn nach einem Todesfall ihr Nachwuchs schon nach kurzzeitiger Trauer wieder fröhlich herumtobt. Doch Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie leben und trauern in der Gegenwart. „Kinder leben mehr den Moment, nicht die Zukunft. Wir Erwachsenen wissen, was in Zukunft eventuell auf uns zukommt – Kinder wissen das nicht. Dass Oma nie mehr wiederkommt, ist für sie unvorstellbar. Daher kann es sein, dass sie ein halbes Jahr lang nicht traurig sind, dann am Geburtstag aber heftig weinen, weil die Oma nicht kommt. So begreifen sie Stück für Stück dieses Nie mehr“, erklärt die Trauerbegleiterin.

Außerdem ist es wichtig, dass Eltern ihre eigene Trauer nicht verstecken, wenn sie ihren Kindern die traurige Nachricht mitteilen, dass die Oma gestorben ist. Es ist nicht nötig, die eigenen Tränen zu verstecken, weil der Tod eines geliebten Menschen auch schmerzhaft und traurig ist. In ihrem Buch „Für immer anders“ gibt Mechthild Schroeter-Rupieper ein prägnantes Beispiel dafür, was geschehen kann, wenn Eltern ihre Trauer unterdrücken: „Jan, sieben Jahre alt, erzählte in der Trauerbegleitung: „Bei uns in der Familie bin nur ich traurig, dass Papa gestorben ist. Ich glaube, die Mama hat den Papa nicht so lieb gehabt. Weil, die weint auch gar nicht.“

Es ist nicht empfehlenswert, vorgeblich „stark“ zu sein. Stärke ist gerade auch, sich seinen Gefühlen zu stellen und sie zu zeigen.

 Julia Schröder


Anlaufstellen für Trauerbegleitung:

  • Institut für Trauerbegleitung Lavia, Ückendorferstr. 92, 45886 Gelsenkirchen
  • Tel: 0209-1702777 oder info@familientrauerbegleitung.de,
  • www.familientrauerbegleitung.de

 

  • Palliativnetz Bochum
  • Trauertelefon: 0176-35468800

 

  • Seit dem 14.01.gibt es in Witten eine geschlossene Gruppe für trauernde Kinder (8–12 Jahre). Die Treffen finden 14-täglig mittwochs um 16 Uhr im Zentrum für Kinder- und Jugendtrauerarbeit Witten statt. Lutherstraße 6, 58452 Witten, Tel: 02302-83327, www.traurig-mutig-stark.de


Medien-Tipps:

Für immer anders: Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds / Mechthild Schroeter-Rupieper / Patmos Verlag / ISBN: 978-3843602457 / 16,99 €

Hat Opa einen Anzug an? / Amelie Fried / Carl Hanser Verlag / ISBN: 978-3-446-19076-4 / Altersempfehlung: 4–5 Jahre / 13,90 €

Julia Schröder
Author: Julia Schröder

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